Babas Vermächtnis von Michael Hetzner

Das Lesejahr 2024 begann leicht und kurzweilig mit Babas Vermächtnis. Das Buch habe ich freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen.

Klappentext

Gucci oder Prada, Porsche oder Mercedes? So viele Entscheidungen am frühen Morgen …
Als Nichte des russischen Präsidenten ist Swetlana privilegiert. Geld regiert die Welt und so hat sie früh gelernt, mit entsprechenden Scheinchen Ärgernisse aus der Welt zu schaffen.
Doch so oberflächlich ihre Welt voll Glitter und Glamour erscheinen mag – Swetlana ist talentiert, intelligent und sucht nach ihrem Platz im Leben.
Das Sternbild des Einhorns werde ihr den Weg weisen, meinte Baba einst, und sie möchte gern den letzten Wunsch ihrer verstorbenen Großmutter erfüllen. Doch das ist leichter gesagt als getan.
Auf ihrer Reise nach St. Petersburg erweist sich der Mann ihrer Träume als Reinfall, dann überschlagen sich plötzlich die Ereignisse und sie muss vor einer Verbrecherbande fliehen.

Meine Meinung

Eine kleine Voraussetzung muss der Leser für das Buch mitbringen: Offenheit für kleine Absurditäten und Übertreibungen. Zum Glück habe ich diese Offenheit mitgebracht und habe deswegen das Buch als höchst unterhaltsam erlebt.
Die Sprache des Autors habe ich als nahbar empfunden und fand die Ironie und Herablassungen der Protagonistin gegenüber anderen Personen sowie die Beschreibung ihrer Umwelt als echt witzig.

Swetlana, die Heldin der Geschichte, passt nicht so recht in ein Schema: Auf der einen Seite ist sie intelligent, hochgebildet und selbstbewusst. Das insbesondere im Umgang mit Erwachsenen.
Auf der anderen Seite ist sie aber auch naiv. Insbesondere bei der Umsetzung des letzten Wunsches ihrer Großmutter – das Vermächtnis klärt sich erst später im Buch auf – geht sie teilweise sehr unüberlegt vor. Mal ist sie gefühlskalt und mal ist sie emotional. Hier wird aus meiner Sicht ein junger, sich entwickelnder Mensch in einer Coming of Age Geschichte beschrieben.
So sorgt diese Gegensätzlichkeit an vielen Stellen für Spannung, weil man zum Glück nicht weiß, wie sie auf die nächste Situation reagieren wird. Das war für mich ein Plus.

Einen Wermutstropfen habe ich dennoch gefunden: Das Buch hätte nochmal lektoriert werden können. So finden sich ein paar Stellen mit Logikbrüchen und Inkohärenzen. Zum Beispiel bekam ein Nebencharakter unterschiedlich ausgeschriebene Namen und an einer anderen Stelle passte eine Zeitfolge nicht.

Wiederrum positiv war für mich, dass an einigen Stellen Gedichte eingestreut waren. Das hat mich gefreut, weil ich ich ja selber ganz gerne dichte und Gedichte lese. Die Gedichte sind meistens von Anna Achmatova (hier die Biografie). Solch ein Gedicht muss ich gleich mal einstreuen:

„Hör das Lied der letzten Begegnung.
Völlig dunkel das Haus vor mir stand
Nur im Schlafgemach, gelb, ohne Regung,
haben gleichgültig Kerzen gebrannt.“
1

Es war hoffentlich nicht die letzte Begegnung mit Swetlana oder einem weiteren Buch des Autors, denn wir haben es hier mit einem sehr empfehlenswerten und unterhaltsamen Roman zu tun. Ich habe Babas Vermächtnis gerne gelesen.

Details zum Buch

Verlag: Wenz
Jahr: 2022
Preis: 11,95 € (Januar 2024)
ISBN: 978-3-937791-63-0
Seiten: 224

Lust bekommen?

Arbeit von Thorsten Nagelschmidt

HipHop oder Top-Hit? Wenn Musiker*innen zu Autoren werden löst das häufig zwiespältige Reaktionen aus. Ein Roman ist schließlich kein Songtext, der zwingend eine Wiederholung braucht, um im Ohr zu bleiben. Dementsprechend dünn ist das Eis, auf das sich die Künstler*innen dadurch wagen. Zum Glück hat Thorsten Nagel(schmidt) schon einige literarische Pirouetten gedreht.

Work around the clock in Berlin

Nagel(schmidt) ist in der Literatur bereits mehrfach in Erscheinung getreten: Stark biografisch oder bebildert im kleinen Mainzer Ventil-Verlag (Wo die wilden Maden graben, 2007 sowie Drive-by-shots, 2015), roh und unzensiert bei Heyne Hardcore (Was kostet die Welt, 2012) und seit 2018 melancholisch und literarisch gereifter bei S. Fischer. „Arbeit“ ist sein zweiter Roman dort, erschienen 2022. Kurzum: Nagel(schmidt) ist alles andere als neu im Kulturbereich. Womit es Zeit ist zu erklären, warum ich das (schmidt) bisher konsequent in Klammern schreibe.

Weiterlesen „Arbeit von Thorsten Nagelschmidt“

Taupunkt von Thore D. Hansen

Als Freund von dunkler Endzeitliteratur und Katastrophenfilmen habe ich mich gefreut, als mir der Autor Taupunkt freundlicherweise als Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Als Freund von Katastrophenfilmen und der entsprechenden Literatur habe ich mich gefreut, als mir der Autor Thore D. Hansen das Buch „Taupunkt“ freundlicherweise als Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Klappentext

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat Wissenschaftler Tom Beyer das auch im Weltklimarat umstrittene Phönix-Programm entwickelt, das schwerste Eingriffe in das gewohnte Leben der Menschen nach sich ziehen würde. Kein Wunder, dass die Regierungen der Welt nichts davon wissen wollen. Frustriert zieht sich Tom nach Deutschland zurück, wo er mit seinem Forderungskatalog an die Öffentlichkeit tritt. Damit löst er eine mediale Hetzjagd aus, die sogar sein Leben bedroht. Auch der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt mit Toms Bruder Robert spitzt sich zu. Robert ist Großlandwirt in Norddeutschland, sein Land leidet unter der Dürre, er sieht seine wirtschaftliche Existenz bedroht und verliert sich in Verschwörungstheorien. Doch dann verändert eine nie da gewesene Hitzewelle den Lauf der Geschichte. Alleingelassen auf Roberts Hof, kämpft die Familie Beyer ums physische Überleben und muss sich ihren Dämonen stellen. Die Trümmer vor Augen, wissen alle, dass etwas geschehen muss…

Meine Meinung

Der Schreibstil des Autors ist wirklich prima und zieht sich konsistent durch das Buch. Man bleibt beim Lesen dran und das ist wirklich positiv hervorzuheben. Der Stil nimmt mit, ist eindringlich und spricht für die Wichtigkeit des Themas.

Die Charaktere und große Teile der Handlung haben mich hingegen nicht überzeugt.
Bezogen auf die Charaktere, haben wir es mit einer viel zu klar gezeichneten Figurenkonstellation und ihren Gegensätzen zu tun: Hier der gute Klimawissenschaftler, der sich kaputt macht, um die Welt zu retten. Dort sein böser Bruder, der folgende Dinge auf sich vereint: Klimaleugner, Alkoholiker, teilweise hinterhältig. Gegen Ende des Buches erfährt Letzterer dann eine Läuterung. Diese kommt aber leider etwas zu kurz, ist doch die Läuterung eines Charakters für sich genommen schon eine Großartigkeit.
Auch die anderen Personen finde ich viel zu schematisch: Die Banker in Frankfurt, die sich scheinbar nur für sich selbst interessieren. Der gutmütige Isländer und der böswillige Boulevardjournalist. Sie alle passen eher in eine Rolle, anstatt aus dieser auszubrechen. Ich habe mich z.B. gefragt, was geschehen wäre, wenn der Boulevardjournalist Tom Beyer bei deren Begegnung heimlich um Hilfe gebeten hätte. Frei nach dem Motto: „Ich will das nicht mehr. Mit diesem Artikel will ich mich reinwaschen.“ Was wäre, wenn einer der Protagonisten einem Feuerwehrmann mit posttraumatischen Belastungsstörungen begegnet wäre? Was hätte dieser von den vielen Waldbränden und Hitzetoten berichtet?

Die Handlung in den ersten Kapiteln bereitet den Boden für die späteren Entwicklungen. So platzen Straßen auf, es entgleisen Züge und es wird sich auf jeder zweiten Seite über die Hitze beschwert. Das Geschehen wird sehr lange vorbereitet und kulminiert dann für meinen Geschmack sehr spät. Gegen Ende steigert sich der Autor jedoch immer mehr und das Buch wird immer spannender. Die Protagonisten müssen mit ihren Differenzen auf engstem Raum leben, man ist auf sich alleine gestellt und es wird geplündert. Viel Potential, welches auf den vorherigen Seiten liegengelassen wurde, wird hier aufgeholt. Ein Teil, der ruhig etwas länger hätte sein können, birgt doch die Abgeschiedenheit und das Leben auf engstem Raum das Potential für eine tiefergehende Beleuchtung der Protagonisten und die Lösung ihrer Differenzen.

Zusammengefasst hat das Buch von den Charakteren und von der Handlung her einige gute Ansätze, die leider nicht bis zum Ende verfolgt werden. Somit bleibt es hinter den Erwartungen zurück.

Details zum Buch

Autor: Thore D. Hansen
Verlag: Europaverlag
Erscheinungsjahr: 2023
Preis: 20 € (Stand Februar 2023)
ISBN: 9783958904705

Lust bekommen?

Gebraucht

Neu

Rezension – Die Straße der Pfirsiche von F. Scott Fitzgerald

Die Wikipedia sagt über F. Scott Fitzgerald, dass er einer der größten Autoren des 20. Jahrhunderts ist. Diesen Ruhm hat er sich mit einer sehr geringen Anzahl an Büchern erarbeitet, was umso beeindruckender scheint. Mit Kindern und Job relativ wenig Zeit zur Verfügung, kam mir dieses kurze Buch doch recht gelegen.

Weiterlesen „Rezension – Die Straße der Pfirsiche von F. Scott Fitzgerald“

Rezension – Der Goldene Handschuh von Heinz Strunk

„Christoph, das musst du lesen, das ist voll ekelig“, sagte mir ein Freund und empfahl mir „Der Goldene Handschuh“. So muss man ein Buch anpreisen und deswegen habe ich es mir dann natürlich sofort gekauft.

Weiterlesen „Rezension – Der Goldene Handschuh von Heinz Strunk“

Rezension – The Flame Bearer von Bernard Cornwell

Vor 10 Jahren hatte ich in der Liverpool Central Library einfach mal in die Bestseller-Auslage gegriffen. Dabei ergatterte ich The Last Kingdom. Ich las es und war begeistert. Mittlerweile bin ich in der Serie bei The Flame Bearer angekommen. Ich kann einfach nicht die Finger davon lassen.

Weiterlesen „Rezension – The Flame Bearer von Bernard Cornwell“

Rezension – Ich und Kaminski von Daniel Kehlmann

Da greift man einmal einfach nur nach dem dünnsten Buch im Regal und man hat schon wieder einen Roman von Daniel Kehlmann in der Hand. Nach Ruhm und Die Vermessung der Welt ist Ich und Kaminski nun schon mein drittes Buch von Daniel Kehlmann. Etwas Vorfreude war also schon da.

Weiterlesen „Rezension – Ich und Kaminski von Daniel Kehlmann“

Rezension: Unterleuten von Juli Zeh

Als ich vor kurzem im Fernsehen die Vorschau für die Verfilmung von „Unterleuten“ sah, entschloss ich mich, dieses von der Kritik sehr positiv aufgenommene Buch von Juli Zeh einmal selbst zu lesen, um mir mein eigenes Urteil bilden zu können. „Unterleuten“ wurde im Jahr 2017 veröffentlicht und  spielt im Jahr 2010 im titelgebenden Dorf Unterleuten in Brandenburg, welches sinnbildlich für eines dieser Dörfer steht, bei denen man sich als durchfahrender Gast fragt, wer hier eigentlich wohnt. „Unterleuten“ gibt auf diese Frage zwar keine allgemeingültige Antwort, manch ein Detail könnte sich aber durchaus so oder so ähnlich auch in der Wirklichkeit wiederfinden.

Weiterlesen „Rezension: Unterleuten von Juli Zeh“

Rezension – Die Entdeckung der Currywurst von Uwe Timm

Wahrscheinlich war es eine Buchempfehlung auf Amazon oder Rebuy. Ich bin mir nämlich gar nicht mehr so sicher, wo ich über dieses Buch gestolpert bin, aber ich wusste, dass ich es lesen musste. Pflichtlektüre: Nicht nur als großer Imbussbuden-Fan, sondern tatsächlich auch, weil das Buch so kurz ist. Dadurch eignet es sich potentiell für kurze Leseintervalle, also wenn die Kinder mal schlafen oder wenn man abends noch 20 Minuten Zeit hat.

Weiterlesen „Rezension – Die Entdeckung der Currywurst von Uwe Timm“