Vielleicht geht es dem/der ein*en oder anderen ja auch so: Manchmal hat man einfach keine Lust auf einen dicken Wälzer, dessen Seitenanzahl einen auf den ersten Blick schier erschlägt. Auf der Suche nach einer kurzen, unterhaltsamen Lektüre stieß ich daher in unserem Bücherregal auf „Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler. Da letzterer vor kurzem sein neuestes Werk „Der letzte Satz“ veröffentlicht hat, zu welchem zahlreiche nicht immer positive Rezensionen (u.a. des NDR, des Spiegels, der ZEIT etc.) erschienen sind, ist der Blick auf den Vorvorgänger „Ein ganzes Leben“ vielleicht in diesem Zusammenhang interessant. Frei nach dem Motto „Kurzes Buch – Kurze Rezension“ sollen in diesem Artikel lediglich zwei Absätze beschreiben, warum die 185 spärlich bedruckten Seiten dieses Romans in meinen Augen absolut lesenswert sind.
Ein Leben voller Entbehrungen
Bei dem im Titel genannten Leben handelt es sich um das Leben des im ausgehenden 19. Jahrhundert geborenen Andreas Egger, der in einem namentlich nicht genannten Tal in den Alpen aufwächst und hier auch einen großen Teil dieses Lebens verbringt. Der/die Leser*in begleitet Egger auf allen seinen Lebensstationen und erlebt die dort vorkommenden Widrigkeiten und Hindernisse hautnah mit. So arbeitet Egger unter anderem als Holzfäller, Seilbahnbauer, Tagelöhner oder Bergführer und verbringt zwischendurch sogar einige Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft. Hierbei wird der Protagonist zwar nicht durch und durch als Sympathieträger charakterisiert, die Gleichmut, mit welcher Andreas Egger harte Arbeit und Entbehrungen erträgt und sein Leben trotz aller Probleme und menschlichen Tragödien als schön empfindet, regt allerdings zum Nachdenken an und lässt den/die Leser*in keinesfalls kalt.
Die (scheinbare) Leichtigkeit des Schreibens
Es ist durchaus erstaunlich, wie Seethaler es schafft, 79 Lebensjahre in 185 Seiten zusammenzufassen und jedem Lebensereignis des Andreas Egger scheinbar mühelos den passenden Raum zu geben. Manch einer würde sich bei dem Versuch vielleicht an einer Stelle in Details verlieren und dafür an anderer Stelle wichtige Informationen überhastet wiedergeben. Seethalers Schreibstil ist hingegen von einer gewissen Leichtigkeit geprägt, die ich in dieser Form noch nicht häufig erlebt habe. Man gleitet als Leser*in förmlich durch das Buch und ist fast traurig, wie schnell man die Seiten umblättert. Letzteres rührt vielleicht auch von dem Wissen, dass der Roman aufgrund seines Titels unweigerlich mit dem Tod Andreas Eggers enden wird. Auch diesem verleiht Seethaler jedoch die nötige Würde, sodass man den Roman nach erfolgter Lektüre zufrieden mit dem Gefühl beiseitelegen kann, ein wirklich gutes Buch gelesen zu haben.
Details zum Buch
Autor: Robert Seethaler
ISBN: 978-3442482917
Preis: 11,00 Euro (als Taschenbuch)
Seiten: 185
Verlag: Goldmann
Erscheinungsjahr: 2016