Über die Bedeutung von Buchtiteln
Wenn man in einer bekannten Suchmaschine das Wort „Anderland“ eingibt, so landet man zuerst bei einer deutschen Mysteryserie und einem norwegischen Filmdrama, bevor man das gleichnamige Buch von Ingo Zamperoni auf der Suchliste findet. So ganz neu und originell ist dieser Buchtitel also nicht, mit dem das 2018 erschienene Werk des hierzulande vor allem als Tagesthemen-Moderator bekannten Autors überschrieben ist. Vielleicht ist das aber auch gar nicht schlimm, denn Buchtitel sollen ja vor allem eine gewisse Neugierde auf das Buch wecken und sind als solches oftmals auch nur bedingt aussagekräftig. Liest man das Kunstwort „Anderland“ ohne weitere Erklärung, so würde man vielleicht spontan an eine etwas seltsame Welt denken, die mit der uns bekannten Umgebung wenig gemein hat und doch nicht komplett fremd ist. Wahrscheinlich war diese Assoziation auch die des Autors, denn laut Untertitel des Buches geht es im folgenden Text um das Amerika unter Trump, welches vielen Europäern mittlerweile wirklich etwas fremd und unverständlich erscheint.

Annäherung an ein fremdes Land
Angesichts der Ende des Jahres stattfindenden Präsidentschaftswahlen in den USA schien mir das Buch eine gute Wahl, um sich dem Thema einmal anzunähern. Denn wie schon der Titel des Buches andeutet, handelt es sich hierbei um kein trockenes Sachbuch, sondern eher um eine autobiographische Erzählung verschiedener Erlebnisse aus diesem fremden Land Amerika, in dem der Autor sowohl studiert als auch von 2013 bis 2016 als Korrespondent im ARD-Auslandsstudio Washington gearbeitet hat. Ingo Zamperoni ist also einer, der es wissen muss – sofern man diese Floskel verwenden möchte – und versucht, auf 205 Seiten zu klären, wie es denn eigentlich dazu kommen konnte, dass ein Mensch wie Donald Trump überhaupt Präsident werden konnte.
Ernüchterung
Um Antworten auf diese Frage zu finden, quert Zamperoni das Land vom sogenannten Rust Belt im Nordosten der Vereinigten Staaten bis an die Grenze zu Mexiko. Nach einigen Gesprächen mit den Menschen entlang des Wegs stellt sich sowohl beim Autor als auch beim Leser die etwas ernüchternde Erkenntnis ein, dass es für viele Menschen einfach nicht mehr schlimmer kommen konnte und Trump gewissermaßen ihre letzte Chance war, an ihren Lebensverhältnissen etwas zu ändern. Trump ist für sie also nicht die personifizierte Katastrophe, wie es vielen Europäern scheint, sondern eher die Lösung aller Probleme. Diese anekdotischen Berichte sind es auch, aus denen das Buch seine Stärke zieht. Wenn Zamperoni einen desillusionierten Sheriff im Kampf gegen die in Amerika allgegenwärtige Opiodkrise interviewt oder eine Grenzpatrouille in Texas auf der Suche nach illegalen Migranten begleitet, so bleiben diese Gespräche auch dem Leser im Kopf. Dass viele Themen dabei eher angerissen als konsequent durchanalysiert werden, kann man da verschmerzen.
Ein bisschen Optimismus
Neben den geschilderten etwas deprimierenden Momentaufnahmen vermag Zamperoni aber in anderen Teilen des Buches durchaus Zuversicht zu wecken, denn trotz Trump scheint das demokratische System Amerikas in seinen Grundfesten noch zu funktionieren. Außerdem wird gegen Ende der – fast schon erwartbare – Vergleich mit Deutschland gezogen, in welchem der Autor zu dem Schluss kommt, dass die Gräben in unserer Gesellschaft noch nicht ganz so tief sind wie in den Vereinigten Staaten, denn immerhin reden die politischen Akteure hierzulande überhaupt noch einigermaßen sachlich miteinander.
Abschluss
Trump wird von Zamperoni alles in allem eher als Symptom und weniger als Ursache einer Spaltung der amerikanischen Gesellschaft in zwei sich zutiefst verabscheuende politische Lager gesehen und die dafür genannten Argumente sind in ihrer Gesamtheit durchaus plausibel zusammengeführt. So eignet sich das Werk von Zamperoni gut für einen ersten Einstieg in die Thematik. Wer allerdings weiterführendes Detailwissen erwartet, sollte vielleicht zu einem anderen Werk greifen.
Details zum Buch
Autor: Ingo Zamperoni
ISBN: 978-3-550-05050-3
Preis: 18,00 Euro
Seiten: 205
Verlag: ullstein
Erscheinungsjahr: 2018